5 Perspektiven zur Vermeidung strategischer Fehler in unsicheren Zeiten

Ein ausbalanciertes Initiativen-Portfolio ist die Basis, um irreversible strategische Fehler in wirtschaftlich unsicheren Zeiten zu vermeiden

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May 2020
4 Minuten
In schwierigen Phasen müssen wir besonders sensibel sein und uns nicht von Panik und operativem Opportunismus leiten lassen. (Foto: O.C Ritz/shutterstock.com)

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise werden uns noch sehr lange begleiten. Die prognostizierte Rezession sorgt für anhaltende Unsicherheit und zeigt, dass wir uns auf langfristige Einschnitte einstellen müssen. Daher ist es sinnvoll, dass sich Unternehmen vorerst auf die erfolgskritischen Wirkungen der globalen Initiativen-Landschaft auf Umsatz, Liquidität und Kosten konzentrieren. So gelingt es, die größten Risiken unter Kontrolle zu halten und die Lebensfähigkeit sicherzustellen.

Um schnell die richtigen Entscheidungen und Maßnahmen zu treffen, sind sie gleichzeitig gezwungen, die Agilität der Organisation zu erhöhen. Denn eines ist deutlich: Volatilität und Unsicherheit werden auch in der Post-Corona-Zeit zu ständigen Begleitern der Geschäftswelt. Agilität wird zur Grundvoraussetzung, um den Wandel zu bestehen – bestenfalls aktiv zu lenken.

Nun droht in Krisenzeiten das Risiko, dass Agilität in operative Hektik und Opportunismus mündet und wichtige strategische Fragen in den Hintergrund treten. Unter Druck optimieren wir unser bestehendes Geschäft und laufen Gefahr, die künftigen Erfolgspotenziale aus dem Blick zu verlieren.

Nichts unterscheidet ein fähiges Management so sehr von einem unfähigen, wie die Kunst, widersprüchliche Ziele gegeneinander zu balancieren ...  (Peter F. Drucker)

Die operative Führung gewinnt in Phasen der Krise naturgemäß an Bedeutung. Die laufende Beurteilung unserer Initiativen-Landschaft und potenzieller Störungen mit Fokus auf die operative Performance ist in Krisenzeiten zunächst einmal richtig und gut. Verbunden mit hoher Marktdynamik und Unsicherheit, steigt jedoch das Risiko, Ad-hoc-Entscheidungen zu treffen, die uns strategisch dauerhaft schwächen. Mit anderen Worten: Die einseitige Fokussierung auf die operativen Kennzahlen führt dazu, dass wir uns zwar durch die Krise retten, am Ende aber schwächer und kränker dastehen als zuvor.

Operative Performance-Optimierung und das Verliererspiel gegen die Zeit

Operative Daten wie Umsätze, Gewinne, Kosten, Liquidität können durch ihren Charakter strategisch leicht in die Irre führen. Sie sind immer ein Ergebnis bzw. ein vorweggenommenes Ergebnis aus der Vergangenheit. Und zudem gespickt mit Annahmen, die zumeist auf unserer Historie basieren.

Sehen die operativen Daten schlecht aus, ist es für strategische Aktionen meist schon zu spät. Diese verlorene Zeit wiegt in der Krise, die Agilität erfordert, doppelt schwer. Sie ist bei gewichtigen strategischen Fehlentscheidungen nicht mehr aufzuholen. Auf Basis solider operativer Daten müssen wir gerade jetzt schnell die richtigen Entscheidungen zu den richtigen Initiativen treffen. Gleichzeitig dürfen die Entscheidungen, die wir heute treffen müssen, nicht unsere Zukunft verbauen.

Deshalb sollten wir unser Initiativen-Portfolio immer wieder kritisch auf den Prüfstein stellen. Die operative Finanzperspektive bleibt dabei ein wichtiges Kriterium, aber nicht das Einzige. Um in der aktuellen Phase strategische Fehler zu vermeiden, müssen weitere Perspektiven eingenommen werden.

Abbildung: 5 Bewertungsperspektiven für ganzheitliches Initiativen-Portfolio-Management

Mit diesen 5 Perspektiven stellen Sie bei der Bewertung Ihres Initiativen-Portfolios sicher, dass Sie eine einseitige Optimierung zu Lasten Ihrer strategischen Zukunft vermeiden:

  1. Ertragskraft
    Die Finanzperspektive kennen wir bestens, können sie messen und bewerten. Es ist die Perspektive, die naturgemäß in Krisensituationen das größte Gewicht erhält und kurzfristig erfolgsentscheidend ist. In schwierigen Zeiten den Umsatz, den Ertrag, die Kosten und die Liquidität für die Bewertung des Initiativen-Portfolios heranzuziehen ist richtig und wichtig. Auf Dauer sollte diese Dimension aber nicht die Oberhand gewinnen.
  2. Markt & Kunden
    Jede Initiative sollte darauf geprüft werden, welchen Beitrag sie in Bezug auf Kundennutzen und Marktposition leistet. Es geht dabei um die Marktstellung, gemessen zum Beispiel an relativen oder absoluten Marktanteilen. Sie ist – in Kombination mit dem Branchenlebenszyklus – Ausdruck für die tatsächlich vorhandenen Erfolgsfaktoren unseres heutigen Geschäfts. Hier verdienen wir am Ende das Geld, das wir dringend für die Investitionen in Neues benötigen.
  3. Neue Produkte & Services
    Die Initiativen-Landschaft sollte auch unter dem Aspekt bewertet werden, welche Aktivitäten zur Innovationskraft beitragen. Sie ist einer der wichtigsten Indikatoren zur Beurteilung der langfristigen Lebensfähigkeit einer Organisation. Innovationsraten sind jedoch trügerisch: Erneuern wir zu viel, führt dies zu Aktionismus, fehlendem Fokus, zu Unruhe und zur Frage der Finanzierbarkeit. Innovieren wir zu wenig, werden wir über unser heutiges Portfolio kurzfristig gutes Geld verdienen, werden jedoch träge und riskieren auf lange Sicht eine größere Innovationslücke. In Zeiten von Unsicherheit und hoher Volatilität wird es immer schwieriger, verpasste Chancen wettzumachen.
  4. Prozesse & Effizienz
    Welche Initiativen fördern die Steigerung der Produktivität unserer Arbeit, unseres Kapitals oder der Zeit? In unsicheren Zeiten müssen wir sicherstellen, dass sich der Output bei gleichem oder geringerem Input über Erfahrungskurveneffekte, Automatisierung und Standardisierung verbessert. Zumindest in unserem angestammten Geschäft. Initiativen, die auf die Steigerung der Wertschöpfung pro Kopf oder beispielsweise die Produktivitätssteigerung der Kopfarbeit einzahlen, eröffnen Kostensenkungspotenziale und kollektive Lerneffekte.
  5. Mitarbeiter & Kultur
    Die Frage, ob wir als Firma attraktiv für „gute“ Leute sind oder nicht, wird zum Erfolgsfaktor Nummer 1 der 2020er. Umfasst die Initiativen-Landschaft genügend Aktivitäten, um die richtigen Mitarbeiter zu finden und sie zu halten? Der viel beschriebene „War for Talents“ steht uns in Europa erst noch bevor. Fragen nach „guten“ Leuten, Nachfolgeplanung, Job Design und zum Umgang mit kultureller Diversität und ihren Effekten werden dieses Jahrzehnt maßgeblich prägen. Diese Bewertungsperspektive wird daher weiter an Bedeutung gewinnen.

Die Erkenntnis, die breite Initiativen-Landschaft in der Firma bewusst mit Blick auf unterschiedliche Perspektiven auszubalancieren, ist nicht neu. Dieser Forderung von Peter Drucker, Kaplan & Norton, Jim Collins oder auch Fredmund Malik kommen wir in vielen Teilen bereits nach. Die Meinung, dass uns die Krise berechtigt, nur eine Perspektive konsequent einzunehmen, ist jedoch gefährlich. So wichtig die finanziellen Maßstäbe sind, so sehr müssen wir uns bewusst sein, dass es sich dabei um operative Daten handelt.

Die Steuerung einer Organisation nach Finanzdimensionen ist eine rein operative Führung, die dazu führen kann, die eigene Zukunftsfähigkeit einer profitablen Gegenwart zu opfern. In schwierigen Phasen müssen wir besonders sensibel sein und uns nicht von Panik und operativem Opportunismus leiten lassen. Eine Krise öffnet die Tore für strategische Fehlentscheidungen, die die langfristige Lebensfähigkeit der Organisation gefährden können.

Ein ausbalanciertes Initiativen-Portfolio ist erfolgskritisch, wenn wir an Nachhaltigkeit interessiert sind. Aus einem einfachen Grund: Durch die hohe Vernetzungsdichte und steigende Dynamik in den Märkten werden wir nach der Krise nicht mehr die Zeit haben, um strategische Fehler mit vertretbarem Aufwand zu korrigieren.

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