Tipps für effektives Stakeholder-Management
Unternehmen operieren nicht in einem Vakuum. Sie sehen sich einer Vielzahl von Individuen, Gruppen und Organisationen gegenüber, die vom Erfolg des Unternehmens beeinflusst werden oder diesen selbst beeinflussen können. Die Anzahl und Wechselbeziehungen zwischen diesen Stakeholdern oder Anspruchsgruppen nehmen in einer vernetzten, globalisierten Welt stetig zu und werden immer komplexer. Dennoch verfolgen nach wie vor nur wenige Unternehmen ein aktives, langfristig angelegtes Stakeholder-Management.
Durch die Einbindung von wichtigen Anspruchsgruppen mit unterschiedlichen Interessen und Perspektiven in strategische Entscheidungsfindungsprozesse erhalten Unternehmen wertvolle Einsichten, die dabei helfen können, relevantere Unternehmensstrategien zu entwickeln, Risiken im Unternehmensumfeld frühzeitig zu erkennen und zu mitigieren und neue Denkweisen bis hin zu Produkt- und Prozessinnovationen anzustoßen.
Wie sollte beim Stakeholder-Management am besten vorgegangen werden? Hier sind einige Tipps für Sie:
Schritt 1: Team zusammenstellen
Stellen Sie ein spezielles Stakeholder-Management-Team zusammen, das der Unternehmensführung und der Strategieabteilung regelmäßig Bericht erstattet, und statten Sie es mit den notwendigen Ressourcen aus. Hierzu zählen neben finanziellen Mitteln vor allem auch der Zugang zu Informationen und die Unterstützung durch geeignete Informationsmanagementsysteme.
Schritt 2: Stakeholder identifizieren
Die Aufgabe des Teams ist es nun, eine ausführliche Liste aller internen und externen Stakeholder zusammenzustellen, die aller Wahrscheinlichkeit nach durch die Strategie des Unternehmens beeinflusst werden bzw. diese selbst beeinflussen können — positiv oder negativ, direkt oder indirekt.
Welche Stakeholdergruppen konkret betroffen sind unterscheidet sich je nach Branche, Unternehmen und gewählter Unternehmensstrategie. Zu den internen Stakeholdern zählen grundsätzlich die Eigentümer, Anteilseigner, das Management und die Mitarbeiter. Zu den externen Stakeholdern zählen u.a. Fremdkapitalgeber, Kunden, Lieferanten, Partnerfirmen und Anspruchsgruppen aus Staat und Zivilgesellschaft, wie Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen auf lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene, Gewerkschaften, Medien, Bürgerinitiativen, akademische Organisationen und Interessensverbände aller Art.
Das Identifizieren von Anspruchsgruppen beginnt in der Regel mit einem Brainstorming der Teammitglieder, gefolgt von einer gezielten Recherche in internen und externen Quellen mit strukturierten Daten (z.B. CRM-Systeme, Adressverzeichnisse, Themenverzeichnisse) und unstrukturierten Daten (z.B. wissenschaftliche Publikationen, Vorträge, interne Berichte, Internet). Anschließend können identifizierte Anspruchsgruppen nach und nach mit ins Boot geholt werden, um weitere betroffene Anspruchsgruppen auszumachen.
Schritt 3: Interessen der Stakeholder identifizieren und verstehen
Als nächstes gilt es, die Interessen, Bedürfnisse, Ansichten und Bedenken der einzelnen Stakeholdergruppen in Bezug auf die Unternehmensstrategie zu identifizieren und zu verstehen. Anspruchsgruppen können auf ganz unterschiedliche Art und Weise betroffen sein, z.B. wirtschaftlich, politisch, kulturell, ethisch, gesundheitlich oder emotional. Gute Methoden dies herauszufinden sind Online-, Telefon- und Emailumfragen, Fokusgruppen und insbesondere persönliche Interviews, die jedoch recht zeit- und kostenintensiv sind.
Schritt 4: Stakeholder kategorisieren und priorisieren
Nachdem Sie eine gute Liste von Stakeholdern zusammengestellt haben und wissen, wie diese ticken, geht es nun darum, diese zu kategorisieren und nach ihrer Bedeutung zu priorisieren. Wer sind die größten Unterstützer Ihrer Strategie? Wer sind die größten Gegner? Wer hat die größte Macht und den größten Einfluss, seine Interessen durchzusetzen? Wer kann andere zu seinen Gunsten beeinflussen?
Es gibt eine Reihe nützlicher Stakeholder-Mapping-Tools, die Ihnen helfen können:
Die Stakeholder-Typologie nach Mitchell, Agle und Wood (1997) unterteilt das Verhalten von Stakeholdern in sieben Typen basierend auf der Kombination dreier Eigenschaften:
- Der Macht der Stakeholder, das Unternehmen zu beeinflussen. Macht kann auf ökonomischen und außerökonomischen Ressourcen (z.B. Know-how, Informationen, Charisma) beruhen und sich auf unterschiedliche Bereiche erstrecken. Beispielsweise bezieht sich der Einfluss von Gewerkschaften vornehmlich auf personalpolitische Fragen.
- Der Legitimität der Beziehungen und Handlungen der Stakeholder mit dem Unternehmen im Hinblick auf Attraktivität, Korrektheit oder Angemessenheit. Stakeholder sind umso stärker legitimiert, auf je mehr Legitimitätsbasen (z.B. juristisch, moralisch, wissenschaftlich) sie sich stützen können und je unumstrittener diese sind.
- Der Dringlichkeit der Anforderungen, die von einem Stakeholder an das Unternehmen gestellt werden. Ein hohes Maß an Dringlichkeit ist dann gegeben, wenn ein Stakeholder ein Anliegen als sehr wichtig und zeitkritisch erachtet.
Die „definitiven“ Stakeholder, die alle drei Merkmale aufweisen, bedürfen der größten Aufmerksamkeit des Unternehmens und sind am stärksten in strategischen Entscheidungsfindungsfindungsprozessen zu berücksichtigen.
Die Macht-Interessen-Matrix klassifiziert und priorisiert Stakeholder im Verhältnis zu der Macht, die sie besitzen, und dem Umfang, in dem sie sich für die Strategie des Unternehmens interessieren. Sie hilft Unternehmen dabei herauszufinden, welche Art von Verhältnis sie mit den einzelnen Stakeholdergruppen aufbauen und pflegen sollten. Stakeholder, deren Macht und Interesse an der Strategie des Unternehmens besonders groß sind (oberer rechter Quadrant), sind die „Key Stakeholder“ und müssen eng gemanagt und schon frühzeitig in strategische Entscheidungsfindungsprozesse eingebunden werden. Stakeholder, deren Macht und Interesse gering ausgeprägt sind (unterer linker Quadrant), erfordern dagegen nur minimale Aufmerksamkeit und Monitoring.
Die Macht-Dynamismus-Matrix entwickelt von Gardner, Rachlin und Sweeny (1986) klassifiziert Stakeholder im Verhältnis zu der Macht, die sie besitzen, und dem Dynamismus ihrer Position, also der Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre Position oder Einstellung in Bezug auf die Strategie des Unternehmens ändern werden.
Die Position von Stakeholdern, die sowohl über große Dynamik als auch große Macht verfügen (Quadrant D), ist für Unternehmen am schwierigsten vorherzusehen und stellt die größte Gefahr oder Opportunität dar. Ihnen ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
Schritt 5: Konflikte und Koalitionen identifizieren und managen
Nachdem die Interessen und Einflussbereiche abgesteckt sind, müssen Konflikte und Koalitionen sowohl zwischen dem Unternehmen und den Stakeholdern als auch zwischen den Stakeholdern erkannt und bestmöglich ausbalanciert werden. Konflikte können substanzieller oder auch emotionaler Art sein. Ziel sollte es sein, Strategien zu entwickeln, die den meisten Wert für die meisten Stakeholder liefern. Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Das Schaffen solcher Multi-Win-Situationen, in denen das Unternehmen und alle wichtigen Stakeholdergruppen gleichermaßen profitieren, stellt mit Abstand die größte Herausforderung des Stakeholder-Managementsansatzes dar und wird nicht immer möglich sein. Es wird immer wieder Situationen geben, in denen es vielmehr darum geht, Risiken und Nachteile so gerecht wie möglich auf die Stakeholder zu verteilen. Langfristig sollten jedoch die Interessen der Stakeholder in die gleiche Richtung gemanagt werden.
Schritt 6: Nachhaltige Beziehungen zu Stakeholdern aufbauen und pflegen
Strategisches Stakeholder-Management lebt davon, langfristige, vertrauensvolle und partnerschaftliche Beziehungen zu den wichtigsten Stakeholdern aufzubauen und zu pflegen. Legen Sie daher für jeden Stakeholder eine eigene Kommunikationsstrategie mit Kernbotschaften, Kommunikationswegen und -instrumenten, Hauptverantwortlichen und Zeitplänen fest. Je nach Bedeutung der Stakeholder, sollten diese im Rahmen von strategischen Entscheidungsfindungsprozessen informiert, konsultiert oder unmittelbar einbezogen werden.
Strategisches Stakeholder-Management ist ein fortlaufender Prozess. Neue Stakeholder kommen hinzu. Alte verlieren an Bedeutung. Interessen ändern sich im Laufe der Zeit. Behalten Sie daher stets die Dynamik im Blick!
Fazit
Das Ausbalancieren und Integrieren der Interessen und Bedürfnisse unterschiedlicher Anspruchsgruppen in die strategische Planung ist sehr zeit- und ressourcenintensiv. Aber es lohnt sich. Denn Stakeholder-Management ist immer auch Chancen- und Risikomanagement. Je näher Unternehmen an den Stakeholdern sind, desto besser und eher können sie potenzielle Konflikte und Möglichkeiten erkennen und strategisch nutzen. Effektives Stakeholder-Management stellt somit einen wichtigen Wettbewerbsvorteil dar.