Die Chancen der eigenen Situation für Transformation nutzen
Aus der Krisenbewältigung heraus haben viele Unternehmen bereits erste Veränderungen erfolgreich umgesetzt und stoßen nun neue Themen zur Umsetzung an. Wir erleben den nahtlosen Übergang in eine Phase der Transformation, die nicht nur Risiken birgt, sondern eben auch Chancen. Ein paar der Erfolgsvoraussetzungen für nachhaltige Transformation haben wir zusammengefasst.
Die Kraft des generierten Momentums nutzen
In beinahe allen Branchen ist in den vergangenen Monaten ein Momentum erhöhter Veränderungsbereitschaft entstanden. Wir müssen uns damit abfinden, dass viele Geschäfte mit ihren bekannten Gesetzmäßigkeiten nicht mehr zum ursprünglichen Status zurückkehren werden.
Es haben sich nicht nur die Art und Weise der Zusammenarbeit, der Kommunikation und der Digitalisierungsdruck in den Firmen durch Covid-19 verändert. Wir erleben beispielweise auch, wie sich Machtverhältnisse unserer Supply Chains verschieben, sich Wertketten neu organisieren und Mergers & Acquisitions eine hohe Dynamik erfahren. Das generierte Momentum kann nun aktiv genutzt werden, um ein paar Weichen neu zu stellen.
Die Vision überprüfen
Zunächst geht es um die kritische Überprüfung der Vision in unseren Organisationen: Passt die unternehmerische Vision noch in das veränderte „Eco-System“ nach der Transformation?
Dazu gilt es, die Erfolgsfaktoren des künftigen Geschäfts besser zu verstehen – und zwar in einem unternehmerischen Umfeld, das morgen anders sein wird als heute. Es ist keine leichte Aufgabe, in schlecht planbaren Zeiten mögliche Zukunftsbilder zu skizzieren, die plausibel, konsistent und nachvollziehbar sind. Aber – der richtige Zeitpunkt, um daraus eine Vision zu entwickeln, die für die Mitarbeiter sinnvoll und erstrebenswert ist. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um solche Prozesse in Gang zu setzen und die Mitarbeiter eng einzubeziehen.
Wenngleich eine Planung im klassischen Sinne derzeit schwer möglich ist, so ist es umso wichtiger – ganz nach Simon Sinek – sich vordringlich mit dem Why auseinanderzusetzen. Dies ist in turbulenten Zeiten die stärkste Sinn- und Inspirationsquelle für die wichtigste Ressource in den Firmen – unsere Mitarbeiter und Führungskräfte.
Entschlacken und „systematische Müllabfuhr“ betreiben
Die aktuelle Phase eignet sich hervorragend, um „aufzuräumen“ und aufzuhören, Dinge zu tun, die in der aktuellen Situation nicht mehr angemessen erscheinen. Einer der Erfolgsfaktoren von Transformation ist Fokussierung. Wir können es uns nicht mehr erlauben, Dinge voranzutreiben, die uns ablenken und zu Fehlsteuerungen unserer ohnehin knappen Ressourcen führen. Fredmund Malik sieht diese „systematische Müllabfuhr“ als eines von 7 Werkzeugen, die jede Führungskraft beherrschen muss und das in Krisenzeiten dramatisch an Bedeutung gewinnt. Es handelt sich dabei um einen Prozess der kontinuierlichen und systematischen Selbsterneuerung. Die Aufgabe besteht im nüchternen und emotionslosen Hinterfragen und Bewerten aller bestehenden Aktivitäten, ob sie wirklich auf unsere Vision einzahlen oder nicht. Wenn wir kritisch mit uns selbst sind, stellen wir fest, dass wir uns schwertun, bereits bestehende Aktivitäten einfach zu stoppen. Diesen Effort-Justification-Effekt sollten wir in Phasen der Transformation vermeiden.
Vernetzung entlang qualitätsgesicherter Prozesse herstellen
Die Corona-Krise hat verdeutlicht, wie wichtig Vernetzung als Enabler für Agilität in unseren Firmen ist. Vernetzung bezieht sich dabei auf die Verbindung zwischen den Geschäftsbereichen, zwischen Zentralfunktionen und Marktbereichen, aber auch auf die Vernetzung von und zwischen Kernprozessen (beispielweise Planungsprozesse, Budgetprozesse, Risikomanagement, Produktentwicklung, etc.). Der Bezugsrahmen der Vernetzung zwischen Strukturen müssen immer die konkreten Aktivitäten sein.
Die Zeit während der Corona-Krise hat auch gezeigt, wie angestammte, starre Strukturen und Hierarchien am Ende die Bewältigung wichtiger Aufgaben behindern. In der Vergangenheit wurden Hierarchien in Firmen mit dem Ziel aufgebaut, die Strukturen kalkulierbar zu machen. Damit wurde auch der größte Verhinderer von Vernetzung geschaffen. Netzwerke sind in ihrer Struktur nicht kalkulierbar. Das Fördern von Vernetzung heißt im ersten Schritt, Vernetzung nicht zu verhindern und auch die Bereitschaft, Macht abzugeben.
Nur über Netzwerke können wir die nötige Veränderungsfähigkeit und Agilität erzeugen, die in dynamischen Zeiten so erfolgsentscheidend ist. Dafür müssen starre Strukturen ein stückweit aufgelöst werden. Dies bezieht sich auf die strukturellen Grenzen (z. B. Unternehmensbereiche), zu starre Gremienstrukturen und Planungsprozesse, die uns über das Fiskaljahr hinweg terminlich fest getaktet auferlegt werden.
Es geht aber nicht darum, „anarchische Zustände“ zuzulassen und die Menschen in der Firma unkontrolliert miteinander zu verbinden. Sinnvolle Vernetzung braucht sehr klare Rahmenbedingungen und definierte Feedbackmechanismen. Qualitätsgesicherte Prozesse sind daher die Grundvoraussetzungen für das Funktionieren von Netzwerken und organisationalem Lernen.
Ein Drahtseilakt steht uns hier bevor: die richtige Balance zu finden zwischen den erforderlichen Strukturen und Prozessen und dem notwendigen Grad der Vernetzung und Partizipation.
Die Chancen der eigenen Situation für Transformation nutzen
Wir haben jetzt die einmalige Chance, das bereits vorhandene Momentum und die Veränderungsbereitschaft in unseren Firmen für Neuausrichtung zu nutzen. Uns gleichzeitig von Dingen trennen, die nicht mehr in das angestrebte Zielbild passen. Das führt zu neuem Fokus und Nachvollziehbarkeit im Handeln.
Wir müssen Maßnahmen, Ziele und Ergebnisse durch Rückkopplungsschleifen miteinander verzahnen und die richtigen Leute mit den erfolgskritischen Aktivitäten vernetzen. Dadurch stellen wir die Umsetzungsarbeit in der Transformation auf eine breitere Basis und erreichen als Firma neue Qualitäten an Agilität und Handlungsfähigkeit. Qualitäten, die uns für die Zukunft rüsten und für langfristige Lebensfähigkeit sorgen sollen.
Dafür wünsche ich Ihnen eine glückliche Hand.
Ihr Ronald Herse