Erfolgreiches Change Management mit Kotters 8-Stufen-Modell
An dieser Stelle war in letzter Zeit des Öfteren die Rede davon, dass Unternehmen sich immer wieder neu erfinden müssen, um im heutigen von Komplexität, Unsicherheit und Volatilität geprägten Marktumfeld langfristig bestehen zu können. Dies betrifft die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen ebenso wie die Entwicklung alternativer Geschäftsmodelle und die Anpassung der Unternehmenskultur. Eine strategische Neuausrichtung ist jedoch alles andere als ein leichtes Unterfangen und trifft innerhalb der Belegschaft meist unweigerlich auf Widerstand. Scheu vor Veränderungen und die Angst, den Herausforderungen nicht gewachsen zu sein, sind weitverbreitet und nur allzu menschlich. Um alle Mitarbeiter auf eine neue Linie einschwören zu können, ist ein effektives Change Management daher unabdingbar.
Change Management ist stets auf den Menschen fokussiert und zielt darauf ab, Veränderungen umfassend, reibungslos und dauerhaft umzusetzen. Aber wie lässt sich dies in der Praxis konkret bewerkstelligen?
Es gibt inzwischen eine ganze Reihe von Change Management Theorien, die jedoch mehrheitlich ihren Ursprung in den Arbeiten von Leadership und Change Management Vordenker John P. Kotter haben, einem emeritierten Harvard Business School Professor. In seinem wegweisenden Buch Leading Change entwickelte Kotter 1996 sein berühmtes 8-Stufen-Modell für erfolgreichen organisatorischen Wandel, das er seither stetig weiter verfeinert hat und das heute von vielen Unternehmensberatungen eingesetzt wird.
Das 8-Stufen-Modell stellt einen ganzheitlichen Ansatz für die Umsetzung tiefgreifenden und nachhaltigen Wandels dar. Kotter weist darauf hin, dass alle acht Stufen komplett und in der vorgegebenen Reihenfolge durchlaufen werden müssen: „Das Überspringen einzelner Schritte schafft lediglich die Illusion von raschem Fortschritt und führt nie zu einem befriedigenden Resultat“ (1997). Die acht Schritte lassen sich in drei Phasen einteilen: das Schaffen eines Klimas für Veränderungen (Schritte 1 bis 3), die Einbindung und das Empowerment der gesamten Organisation (Schritte 4 bis 6) und die nachhaltige Umsetzung des Wandels (Schritte 7 bis 8).
Schritt 1: Ein Gefühl der Dringlichkeit erzeugen
Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung von Transformationsvorhaben ist, dass die Mehrheit der Mitarbeiter hinter den angestrebten Veränderungen steht und diese aktiv unterstützt. Daher sollte der erste Schritt des Change Managements stets darin bestehen, die Mitarbeiter von der Notwendigkeit und Dringlichkeit der Veränderungen zu überzeugen. Das ist alles andere als eine leichte Aufgabe. Dies gilt umso mehr für Unternehmen, die in der Vergangenheit sehr erfolgreich waren. Denn Selbstgefälligkeit ist einer der größten Hemmschuhe für Wandel. Kotter warnt aber auch vor falsch verstandener Dringlichkeit, die aus Angst oder Wut herrührt und sich in unkoordiniertem Aktionismus zeigt. Worauf es ankommt, ist vielmehr, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, und zwar kontinuierlich, jeden Tag aufs Neue. Dringlichkeit ist damit nicht nur der Zünder, sondern auch der Motor von Transformationsprozessen.
Um ein Gefühl für Dringlichkeit unter den Mitarbeitern zu erzeugen, empfiehlt Kotter, ihnen die potenziellen Chancen und Risiken, die sich aus dem Unternehmensumfeld ergeben, aufzuzeigen. Dabei sollte nicht nur an den Verstand der Mitarbeiter, sondern vor allem auch an deren Emotionen appelliert werden. „Sehen-Fühlen-Verändern“, so lautet Kotters Motto. Hierzu kann es hilfreich sein, Außenstehende, wie Unternehmensberater, Investoren oder Kunden, hinzuzuziehen, die den Mitarbeitern dabei helfen, die Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.
Schritt 2: Eine Führungskoalition aufbauen
Der nächste wichtige Schritt für die erfolgreiche Implementierung von Change Initiativen ist die Zusammenstellung einer starken Führungskoalition, die die gesamte Organisation repräsentiert. Um effektiv agieren zu können, sollte dieses Team über ausreichend Machtbefugnisse, Glaubwürdigkeit, Sachkenntnis und Führungsqualitäten verfügen und gemeinsame Ziele innerhalb des Veränderungsprozesses verfolgen. Gegenseitiges Vertrauen der Teammitglieder untereinander ist ebenfalls ein entscheidender Erfolgsfaktor. Dieses lässt sich beispielsweise durch regelmäßige off-site Aktivitäten stärken.
Schritt 3: Eine Vision des Wandels entwickeln
Aufgabe des Führungsteams ist es nun, eine Vision für die Zukunft zu entwickeln. Eine klar formulierte Vision erfüllt nach Kotter drei wichtige Funktionen:
- Sie dient als Entscheidungsgrundlage,
- Sie motiviert Menschen in die richtige Richtung aktiv zu werden, selbst wenn die ersten Schritte dorthin beschwerlich sind, und
- Sie hilft, die Handlungen der einzelnen Abteilungen und Mitarbeiter schnell und effizient zu koordinieren.
Die Vision wirkt sinnstiftend auf die Mitarbeiter und ist sozusagen der „Klebstoff, der alles zusammenhält“. Kotter macht sechs Schlüsselmerkmale effektiver Visionen aus:
- Vorstellbar: Sie erzeugen ein klares Bild, wie die Zukunft aussehen wird.
- Erstrebenswert: Sie sprechen die langfristigen Interessen aller Beteiligten an.
- Machbar: Sie enthalten realistische und erreichbare Ziele.
- Fokussiert: Sie sind klar genug formuliert, um als Entscheidungshilfe zu dienen.
- Flexibel: Sie ermöglichen individuellen Einsatz und alternatives Handeln, wenn sich die Gegebenheiten verändern.
- Vermittelbar: Sie sind leicht zu kommunizieren und schnell zu erklären.
Schritt 4: Die Vision des Wandels kommunizieren
Als nächstes gilt es, die im vorangegangen Schritt entwickelte Vision in der gesamten Organisation zu verbreiten, mit dem Ziel, die Akzeptanz und das Engagement der Mitarbeiter zu gewinnen. Der Aufwand, der hierfür nötig ist, wird von den meisten Unternehmen völlig unterschätzt, so Kotter. Er rät dazu, die Botschaft auf allen zur Verfügung stehenden Kommunikationskanälen kontinuierlich zu propagieren und bezüglich der Methodenauswahl eine gewisse Experimentierfreude an den Tag zu legen. Storytelling beispielsweise, ist eine exzellente Art, einer Vision Leben einzuhauchen und diese für jedermann begreiflich zu machen.
Den Worten müssen allerdings auch Taten folgen. Die Führungskoalition sollte daher stets mit gutem Beispiel vorangehen und ihre Verhaltensweisen entsprechend der neuen Vision und Strategie anpassen. Dadurch wird mögliches Misstrauen abgebaut und die Motivation und Kooperationsbereitschaft der Mitarbeiter gefördert.
Schritt 5: Hindernisse aus dem Weg räumen
Akzeptanz und Veränderungswille innerhalb der Belegschaft allein reichen jedoch nicht aus, um Wandel erfolgreich voranzutreiben. Es müssen auch die innerbetrieblichen Strukturen und Systeme an die Anforderungen der neuen Vision und Strategie angepasst werden, um die Mitarbeiter handlungsfähig zu machen. Neben den Personalsystemen spielen hierbei insbesondere die Informationssysteme eine wichtige Rolle, wie Kotter betont. Der Zugriff zu aktuellen Wettbewerbs- und Marktinformationen und der reibungslose abteilungsübergreifende Informationsaustausch sind Voraussetzung dafür, dass die Mitarbeiter ihre Arbeit so effizient wie möglich erledigen können.
Schritt 6: Kurzfristige Ziele festsetzen
Große, langfristig angelegte Veränderungsprojekte verlieren häufig schon im Anfangsstadium an Fahrt. Um die Motivation und das Bewusstsein für Dringlichkeit aller Beteiligten aufrecht zu halten, sollten daher kurzfristige Ziele geplant und bei Erreichen entsprechend gewürdigt werden. Schnelle Erfolge haben zudem den positiven Effekt, dass sie Kritikern und Zynikern den Wind aus den Segeln nehmen. Studien zeigen, dass Unternehmen, die signifikante kurzfristige Erfolge einfahren, mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit den Transformationsprozess erfolgreich zum Abschluss bringen.
Schritt 7: Erfolge konsolidieren und weitere Veränderungen ableiten
Kurzfristige Erfolge sollten jedoch in keinem Fall dazu verleiten, sich auf den gewonnenen Lorbeeren auszuruhen oder gar frühzeitig das gesamte Vorhaben als Erfolg zu verbuchen. Es gilt vielmehr, die durch die kurzfristigen Erfolge geschaffene Glaubwürdigkeit nun gezielt zu nutzen, um weitere und größere Veränderungsprojekte in Angriff zu nehmen. Zu diesem Zweck sollten weitere Personengruppen in den Veränderungsprozess involviert werden. Gleichzeitig sollte die Führungskoalition dafür Sorge tragen, die Dringlichkeit, Transparenz und den Fokus aufrechtzuhalten.
Schritt 8: Veränderungen in der Unternehmenskultur verankern
Zu guter Letzt müssen die neuen Verhaltensnormen und gemeinsame Werte tief in die Unternehmenskultur verankert werden. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass sie wieder verloren gehen, sobald der Änderungsdruck abnimmt. Um Nachhaltigkeit zu bewirken, empfiehlt Kotter, regelmäßig zu kommunizieren, wie die neuen Ansätze, Verhaltensweise und Einstellungen die Gesamtperformance des Unternehmens beeinflusst haben. Darüber hinaus sollte sichergestellt werden, dass neue Mitarbeiter und aufstrebende Führungskräfte an die neue Ausrichtung glauben und diese nach außen hin verkörpern.
Tiefgreifende Transformationsprozesse verlangen Unternehmen viel ab. Kotter’s 8-Stufen-Modell bietet eine solide Checkliste für die meisten Dinge, die es während eines solchen Prozesses zu beachten gilt. Wichtige Voraussetzungen für jeden einzelnen Schritt sind dabei die Steuerung durch erstklassige Führungskräfte, ein Gefühl für Dringlichkeit, offener Informationsaustausch und die fortlaufende Kommunikation auf allen Ebenen. Zu den letzteren beiden kann Spezialsoftware wie die Solyp Strategie-Plattform einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie alle relevanten Informationen zentral bündelt und zugänglich macht.
Hier lesen Sie, wie John Kotters 8-Stufen-Modell auch im Zeitalter der Digitalisierung zum Erfolg führen kann.
Quellen
Kotter, J.P. (1996). Leading change. Boston: Harvard Business School Press.
Kotter, J.P. (1997). Chaos, Wandel, Führung: Leading Change. Düsseldorf: Econ-Verlag.